Streifzüge durch den Dschungel – von Iquitos ins Tapiche Reservat

Frosch Reserva Tapiche

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Wir möchten in den Dschungel. Allerdings stellt es sich als gar nicht so einfach heraus, einen Anbieter zu finden, der das Anfassen von wilden Tieren verbietet, sie nicht anfüttert und nicht in Käfigen hält. Die Bewertungsseiten und Blogs zu Dschungeltouren sind voll mit Fotos, auf denen grinsende Touristen Faultiere oder Baby-Kaimane auf dem Arm halten.

Für solche Fotos würde man auf den Galápagos eine sehr empfindliche Strafe bekommen. Und das zurecht. Wenn ein Mensch nämlich ein Seelöwenbaby berührt, bleiben Spuren des Menschengeruchs mitsamt Partikeln von Sonnenmilch, Mückenspray und dem, was der Mensch sonst so trägt, auf dem Tier zurück. Die Seelöwenmutter mag ihr Baby fortan nicht mehr riechen, hört auf, es zu füttern – und es stirbt. Mit den Dschungeltieren läuft es sicherlich ähnlich und dabei möchten wir auf gar keinen Fall mitmachen. Schließlich buchen wir einen Aufenthalt in einem Reservat, dessen Betreiber sich enthusiastisch gegen solche Praktiken und für den Erhalt wilder Tiere einsetzen. „Wildlife as wild as it should be“ lautet ihr Motto.

Das Tor für Touren in den peruanischen Dschungel rund um den Amazonas ist die Stadt Iquitos. Sie gilt als die größte Stadt der Welt, die nicht an das Straßennetz angebunden ist. Nur über Flüsse oder per Luftweg kann man sie erreichen. Die Frachtschiffe, die auch Decks mit Hängematten für Passagiere haben, brauchen dafür mehrere Tage. Wie viele genau ist genauso wenig vorhersagbar wie ihre Abfahrtzeiten, denn dies hängt vom Wasserstand, von der Fracht und vielleicht auch von der Laune des Kapitäns ab. Da wir aber pünktlich zu unserem Tourstart anreisen müssen, nehmen wir den Flieger. Iquitos empfängt uns warm, die Luft ist feucht, wir fahren durch ein Hupkonzert von unzähligen Motorrikschas, in den Straßen geht es wuselig zu. Und während ich gerade denke, dass ich mir wie in Mumbai vorkomme, sagt Frank: „Ich komme mir vor wie in Indien“.

Iquitos ist mir rätselhaft und ich frage später unsere Gästebetreuerin Ana, wovon die Bewohner dieser so weit entfernten Stadt, die immerhin so groß ist wie Wiesbaden und Mainz zusammen, eigentlich leben. „Sie sind Taxifahrer, Prostituierte oder verkaufen irgendwas“, ist ihre Antwort. Na, ob das so wirtschaftlich aufgeht? Ich stelle mir vor, alle Wiesbadener und Mainzer wären Taxifahrer, Prostituierte und Verkäufer. Früher mal war Iquitos eine reiche Stadt, als die Geschäfte mit wildem, im Dschungel geernteten Kautschuk gut liefen. Damit war aber abrupt Schluss, als die Asiaten anfingen, Kautschuk in Plantagen zu kultivieren, und der Preis fiel.

Bus Iquitos
Busse wie dieser erinnern uns irgendwie an Indien.
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Diese Fassade zeugt noch vom alten Glanz Iquitos‘ während des Kautschuk-Booms.
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Heute verfällt jedoch Einiges.

Das Tapiche Reservat liegt über 400 Kilometer von Iquitos entfernt. Ein langer Reisetag erwartet uns und unsere zwei netten Mitreisenden aus der Schweiz. Noch vor dem Sonnenaufgang fahren wir zum Hafen in Nauta los. Dann geht es in einem Schnellboot lange Zeit durch einen sehr breiten Fluss. Platt von dem frühen Start schlafe ich ein und wache kurz vor unserem Ausstieg in Requena auf. In Requenas Hafen mit sandigem Boden herrscht Betriebsamkeit. Die Fracht der großen Boote wird verladen, auf schwimmender Tankstelle wird Benzin abgefüllt, in schiefen Holzverschlägen essen Leute zu Mittag. Wir vier werden von José, einem Mitarbeiter des Reservats, gefunden. Er hat Mototaxis für uns organisiert, die uns durch geschäftige Straßen Requenas zum Restaurant seiner Tante navigieren. Ich bestelle Fisch und er schmeckt vorzüglich.

Gestärkt und etwas ausgeruht steigen wir in ein kleines, offenes Motorboot. Bald biegen wir von dem breiten Fluss in einen schmaleren und noch einen. Oder ist das doch nur eine Kurve desselben? Das Netz aus Flüssen erscheint mir verwirrend, aber José kennt sich aus. Ab und an gucken Delfine kurz aus dem Wasser, mal graue, mal rosafarbene. Einer hüpft mal raus und zeigt sich uns in seiner ganzen Schönheit. Wir sehen Wasservögel mit schnittigen Frisuren und Kinder, die ein Bad im Fluss nehmen.

Kurz vor Sonnenuntergang sollten wir eigentlich ankommen, doch unser Motor verspringt sich. Immer wieder. Und dann vermeldet José, dass das Benzin alle ist. Ich überlasse den Zwischenteil der Geschichte der Fantasie des Lesers. Sie endet schließlich damit, dass uns ein vorbeifahrendes Boot mit einer Flasche Benzin aushilft und wir sehr müde und sehr spät in unsere von Moskitonetzen bedeckten Betten fallen und im nächtlichen Dschungelkonzert aus Vögel- und Affenrufen tief und feste einschlafen.

Schlafzimmer Reserva Tapiche
Hier schlafen wir vier Nächte lang …
Chilling Room Reserva Tapiche
… und hier können wir uns mittags zwischen unseren Streifzügen durch den Dschungel ausruhen.
Schildkrötenpool
In diesem selbstgebauten Pool auf dem Gelände der Lodge wachsen gerade geschlüpfte Schildkröten heran, bis sie groß genug sind, um realistische Überlebenschancen zu haben.
Turm Tapiche Reservat
Diesen Aussichtsturm an einer Lagune haben die Mitarbeiter des Reservats ausschließlich aus gefallenem Holz gebaut, um den Baumbestand zu schonen.

Unsere Tage verbringen wir fortan damit, in Gummistiefeln, langen Hosen und langärmligen Shirts mit José durch den Dschungel zu marschieren. Wir sollen immer schön die Füße hochheben, um Schlurfgeräusche zu vermeiden und dadurch die Tiere nicht zu verscheuchen. José geht als erster und schneidet, wo nötig, mit seiner großen Machete für uns den Weg frei. Ab und zu bleiben wir alle still stehen, damit José horchen kann. Hört er ein vielversprechendes Tiergeräusch, verlässt er den Pfad und wir gehen ihm hinterher. Damit er später den Weg zurückfindet, markiert er ihn durch Abbrechen von kleinen Ästen. Hoch in den Baumkronen erspähen wir Äffchen, die uns aus sicherer Distanz mustern. José ist übrigens ehemaliger Jäger, der von den Reservatsbetreibern überzeugt wurde, sein Geld damit zu verdienen, Tiere zu zeigen, anstatt sie zu töten.

Ameisenbau Tapiche Reservat
Erstmal gibt es Mückenschutz á la José: Einfach eine Weile die Hände in diesen hängenden Ameisenbau halten und dann die Ameisen auf der Haut zerreiben.
Affe Reserva Tapiche
In der sonnigen Höhe klettert Herr Nilsson, …
Walking Tree Tapiche Reservat
… unten im Schatten bewegt sich dieser „Walking Tree“ mithilfe seines zwei Meter hohen Wurzelwerks einen Meter pro Jahr vorwärts.
Regenbogen Tapiche Reservat
Unter einem Regenbogen kehren wir abends zurück zur Lodge.

Am Abend stößt noch ein holländisches Pärchen zu uns, das einen Tag später als wir mit der Gästebetreuerin Ana angekommen ist. Der Holländer hat ganz frisch in Rio de Janeiro eine Medaille im Ruderachter gewonnen und beantwortet geduldig unsere neugierigen Fragen. Die junge und schöne Ana hat auch viel Interessantes zu erzählen. Sie ist zwei Wochen nach ihrem Uniabschluss in Umweltwissenschaften in ein Flugzeug nach Südamerika gestiegen, um fernab ihrer Heimat Kroatien Fuß zu fassen. Sie hat zuerst in einem Nationalpark in Patagonien gearbeitet und fand schließlich ihren Traumjob und ihre große Liebe im Dschungel Amazoniens. Sie begleitet uns in den nächsten Tagen bei unseren Wanderungen und Bootsfahrten und erzählt uns von der Arbeit im Reservat, die auch Patrouillen und das Ausweisen von Jägern und Fischern umfasst. Wir werden Zeuge, wie sie eine Gruppe von Männern in einem professionell ausgestatteten Boot beim Fischen im Reservat erwischt und freundlich aber bestimmt rausbittet, nicht ohne ihnen einen Teil ihrer Beute vorher abzunehmen.

Boot Tapiche Reservat
Mit diesem Boot fahren uns Ana und José über eine zum Reservat gehörige Lagune.
Boot Tapiche Reservat 2
Wir halten Ausschau, …
Kraniche Tapiche Reservat
… beobachten Kraniche …
Kaiman Tapiche Reservat
… und diesen drei Meter langen Kaiman, der plötzlich wie ein U-Boot neben uns auftaucht.

Da im Reservat sonst nur für die wenigen Gäste und Mitarbeiter gefischt wird, sind hier noch genug Fische vorhanden. Sie schmecken fantastisch. Ich esse sie wie in Trance. Anderswo sieht es nicht mehr gut aus. Durch gieriges Fischen mit Netzen sind die Flüsse und Seen rund um den Amazonas weitgehend leergefischt. Auch die Tierdichte ist nicht so hoch wie sich der Leser vom Dschungelbuch oder Abenteuerromanen das vorstellt. Wir laufen teilweise stundenlang durch den Dschungel ohne jegliche Tiersichtungen abseits von Fröschen und Spinnen. Die Tiere, denen wir begegnen, sind uns gegenüber sehr schüchtern. Das zeugt von ihren Erfahrungen mit Jägern.

Papageien Tapiche Reservat
Oben in den Baumkronen sichten wir diese schönen Papageien …
Affe Tapiche Reservat 2
… und diesen Affen. (Danke an unsere lieben Schweizer Mitreisenden für die Fotos mit dem guten Zoom.)

Wir wünschen Ana und ihren Kollegen, dass ihre unermüdliche Arbeit weiterhin Früchte trägt und die Tiere noch Lebensräume finden, in denen sie ein Leben wie im Dschungelbuch führen können.

Nach unserer Tour ins Tapiche Reservat verbringen wir noch einen schönen Tag in Iquitos und machen uns dann auf zu neuen Abenteuern in den Bergen.

Reisezeit: 30. September bis 7. Oktober 2016