Gut für Bauch und Bildung – Beijing

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„Ihr werdet heute keine Autokennzeichen mit den Endziffern Null oder Fünf sehen“, sagt uns der Fremdenführer Leo, bei dem wir eine Wanderung auf der Großen Mauer gebucht haben, während sich unser Minibus Stück für Stück aus dem schier nicht endenden Beijing vorarbeitet. „Um den Verkehr einzudämmen, dürfen jeden Tag bestimmte Autos nicht fahren. Mittwochs sind es die Endziffern Null und Fünf.“

Leo hätte auch gerne ein Auto. Aber bisher hatte er kein Glück bei der monatlichen Verlosung. Nein, er möchte kein Auto gewinnen. Er hätte das Geld, um sich eins zu kaufen. Aber vorab braucht man eine Berechtigung für eine Zulassung. Diese sind limitiert und werden monatlich unter den interessierten Beijingern verlost. Aus drei Millionen Bewerbern werden zehntausend Gewinner gezogen. Wer Monat für Monat leer ausgeht, kann sich jederzeit ganz ohne Beschränkung ein Elektrorad, -moped oder -auto anschaffen. Diese wie etwas vergrößerte Spielzeuge aussehenden Fahrzeuge sind allgegenwärtig und machen ein leise summendes Geräusch, während sie große Trauben von jungen und alten Beijingern durch ihre riesige Stadt transportieren. Und bringt das alles den gewünschten Effekt? Der Himmel ist jedenfalls blau und die Luft atmet sich ganz normal. Zumindest während unserer neun Tage in Beijing haben wir den berühmten Smog nicht erlebt.

Beijing Elektroauto
Tankst du noch oder lädst du schon?

Beijing wird durch große von Ost nach West und von Nord nach Süd gerade verlaufende Straßen in rechteckige Parzellen unterteilt. Diese wiederum sind von kleineren Straßen durchzogen, die in der Innenstadt Hutongs heißen. Hutongs sind mit vielen Bäumen bewachsen und mit kleinen, meist nur ein- bis dreistöckigen Häusern bebaut, die grau gestrichen und mit kleinen roten Akzenten verschönert sind. Auch unser Hostel befindet sich in so einem Hutong mit fast dörflichem, beschaulichem Flair. Alte Leutchen führen lustige Hunde aus und halten einen Plausch unter Nachbarn, Wäsche hängt zum Trocknen aus, Obsthändler haben Pfirsiche und Kirschen im Angebot. Hier und da wird gentrifiziert, indem jemand ein kleines hippes Joghurt-Café oder etwas mit Kunst eröffnet.

Beijing Hutong
In diesen netten Hutong-Häuschen gibt keine Toiletten, …
Beijing Hutong Toiletten
… sein Geschäft verrichtet man hier, …
Beijing Polizeiauto
… und an jeder Ecke zeigen Sicherheitsdienste Präsenz.

Das einzig Irritierende in dieser Umgebung, die friedlicher nicht sein könnte, sind Wachmänner, die zu beiden Enden eines jeden Hutongs strammstehen. Wozu? Und nicht nur an den Eingängen zu den Hutongs, sondern überall sind irgendwelche Sicherheitsleute im Einsatz. Vor dem Betreten von jeder U-Bahn-Station wird jedes Mal das komplette „Handgepäck“ eines jeden Passagiers durchleuchtet. Ist das Paranoia oder eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Dabei wirken die Beijinger wie ganz normale, gut erzogene Menschen, die sich auch ganz von alleine benehmen würden. Entgegen dem, was ich vorher über Chinesen gehört habe, sehe ich in Beijing niemanden spucken, rotzen, schubsen oder rauchen, wo es nicht angebracht wäre.

Der Mensch in Beijing wird nicht nur permanent überwacht und kontrolliert, sondern auch noch ständig belehrt und bevormundet. Das merke ich, als ich außerhalb einer Kreuzung die Straße überqueren möchte. Lange, hohe Zäune erlauben es nicht. Allzu oft wird der Fußgänger zu langen Extra-Wegen genötigt, weil er selber nicht entscheiden darf, wo er durch darf und wo nicht. In Bahnhöfen erschallen Durchsagen in Dauerschleife mit Regeln zur Benutzung einer Rolltreppe oder sonstigen banalen Dingen. Hallo?! Liebe Verantwortliche, glaubt ihr, dass eure Leute doof sind oder was?

Beijing Absperrungen
Ist in Peking allgegenwärtig: die Absperrung.
Beijing Tiananmen
Wir posieren auf dem Platz des himmlischen Friedens, …
Beijing Gugong Mao
… natürlich unter den Augen des im wahrsten Sinne des Wortes großen Führers und in Gegenwart von zackigem Wachpersonal.

Wer als Erwachsener so behandelt wird, braucht ein Ventil. Und das Ventil der Beijinger ist das Essen! Betritt der maßgeregelte Bürger eines der unzähligen Restaurants, ist er im Schlaraffenland der lukullischen Freuden. Die bebilderten Speisekarten, bei deren Studium das Wasser im Munde zusammenläuft, bieten eine unermessliche Auswahl. Keiner kann sich dabei entscheiden und deshalb wird alles Mögliche bestellt, bis der Tisch fast zusammenbricht. Die Portionsgrößen sind enorm, die Zutaten frisch und der Geschmack hervorragend.

Ich habe mal gelesen, dass Chinesen immer etwas auf dem Teller zurücklassen müssen, sonst käme das nicht gut an. Papperlapapp. Sie schaffen es zwar nicht, alles an Ort und Stelle zu verspeisen, nehmen dann aber die Reste in Tupperdosen mit.

Wir machen es den Beijingern nach und stürzen uns in kulinarische Genüsse aus allen Teilen Chinas. Wir probieren uns durch die der türkischen Küche nicht unähnlichen Spezialitäten der Uiguren, Pilze aus Yunnan, mit Szechuanpfeffer gewürzte Aale aus der Provinz Sichuan, bei deren Verspeisung unsere Zungen taub werden, Hafernudelsuppen aus sonstwoher, vegetarische Köstlichkeiten mit buddhistischem Einschlag und natürlich auch Pekingsuppe und Pekingente, die in ihrer Heimatstadt über Obstbaumholz geröstet wird und sehr, sehr lecker ist.

Beijing Dim-Sum
Ein kulinarisches Highlight jagt das nächste: aus Haferteig geknetete Teigtaschen, …
Beijing Sichuannudeln
… Nudeln aus Sichuan, …
Beijing Yunnanpilze
… Pilze aus Yunnan …
Beijing Pekingente
… und natürlich die berühmte Ente aus Peking.

Zwischendurch besichtigen wir auch die klassischen Sehenswürdigkeiten, klar, die Verbotene Stadt und diverse andere Immobilien und Parks der kaiserlichen Familie, den Platz des Himmlischen Friedens, einige Tempel und das Olympiagelände. Aber die eigentliche Sehenswürdigkeit bleibt für mich der Alltag der Chinesen. Zu sehen, wie bei ihnen der Hase läuft, ist sehr interessant und bringt so manche Vorstellung, die ich vom Land der Mitte hatte, ins Wanken. „Der Sinn des Reisens besteht darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen, und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen, wie sie sind“, hat der englische Intellektuelle Samuel Johnson (1709 – 1784) geschrieben. Ja, an diesem Gedanken ist etwas dran.

Beijing Gugong Ziegel
In der Verbotenen Stadt wandelt man unter reich verzierten Dächern wie diesem …
Beijing Gugong Elefant
… und begegnet diesem bemerkenswerten Elefanten, der sich zu Ehren des Kaisers auf physiologisch unmögliche Weise verrenkt.
Beijing Verbotene Stadt Verkleidung
Chinesen verkleiden sich gerne für ein Foto mit der Verbotenen Stadt, …
Beijing Verbotene Stadt Frank
… Frank nicht.
Beijing Konfuziustempel Kong Miao
Konfuzius grüßt die Besucher des ihm geweihten Tempels Kong Miao.
Beijing Himmelstempel Tiantan
Der kreisrunde Himmelstempel diente früher kaiserlichen Erntedankzeremonien.
Beijing Olympic Green Nest
Immer noch ein Besuchermagnet: der Olympiapark mit dem berühmten Nest, …
Beijing Olympic Green Schwimmwürfel
… dem blau strahlenden Schwimmwürfel …
Beijing Olympic Green Turm
… und seinen gigantischen Türmen.

Auf der Großen Mauer ist nicht Denken, sondern Klettern angesagt. Unsere etwa fünfstündige Wanderung bei fast 40 Grad Hitze beginnt bei dem unrestaurierten, wilden Abschnitt bei Jiankou, führt über das steile Stück Ox Horn Edge, das der TÜV mit Sicherheit nicht genehmigt hätte, bis zum neu gemachten Abschnitt Mutianyu, zu dem sich faule Besucher mit der Seilbahn hochfahren lassen können. Unser fröhliches Grüppchen schafft alles mit Bravour zu Fuß und wird von Leo zu einem Schmaus eingeladen, bei dem der Tisch vor Speisen überquillt und die Essenden in glückliche Seligkeit verfallen. So läuft das in China.

Beijing Große Mauer Jiankou
Wir starten in Jiankou, …
Beijing Große Mauer Jiankou
… einem der wilderen Abschnitte der Mauer.
Beijing Große Mauer Ox Horn Edge
Hier geht es die sogenannte „Ox Horn Edge“ hinauf …
Beijing Große Mauer Ox Horn Edge
… und hier geht es wieder runter.
Beijing Mutianyu Brautpaar
Der restaurierte Abschnitt der Mauer bei Mutianyu dient diesem Brautpaar als romantische Kulisse.

Reisezeit: 10. bis 19. Juni 2017